Alejandra Gómez Macchia
Alejandra Gómez Macchia
Alejandra Gómez Macchia (geb. 1982) ist eine mexikanische Autorin und Journalistin aus Tehuacán, Puebla. Nach einem Musik- und Tanzstudium ist sie vor allem journalistisch tätig. Sie leitet die Zeitschrift Dorsia und hat für Zeitungen wie El Columnista, 24 Horas Puebla und Sexenio Artikel und Kurzgeschichten verfasst. Ihr erster Roman, Lo que Facebook se llevó (2015) betrachtet Liebe im Zeitalter der digitalen sozialen Medien. Ihr Erzählband Bernhard se muere (2019) widmet sich unter anderem ihrem literarischen Leitstern Thomas Bernhard, dessen Name sich nicht nur im Titel findet, sondern dessen Porträt auch das Cover des Buches ziert.
Bernhard se muere (2019) versammelt acht Erzählungen, die menschliche Abgründe ausloten – von Einsamkeit und Sucht bis zu Verlust und Verlangen. Schon im Vorwort bekennt sich Gómez Macchia leidenschaftlich zu Thomas Bernhard. Zwar vermeidet sie das Etikett bernhardiana (Gómez Macchia 2019: 8), aus Angst, ihrem Idol nicht gerecht zu werden, doch sie outet sich als süchtig nach Bernhard. »Thomas Bernhard ist eine harte Droge. Seine Literatur ist besser als das Leben.« (»Thomas Bernhard es una droga dura. Su literatura es mejor que la vida.«, Gómez Macchia 2019: 7; Übers. M. T.)
Die erste Erzählung des Bandes ist eine Hommage an Thomas Bernhard aus der Perspektive seines berühmten spanischen Übersetzers Miguel Sáenz. Tatsächliche Ereignisse werden in einem dichten Netz intertextueller Verweise auf Werktitel, Interviewpassagen, aber auch Personen aus Bernhards Umfeld fiktional weitergedacht: So erhält die Figur Sáenz von der Figur Krista Fleischmann Bescheid, dass die Figur Bernhard ein Gespräch mit ihm führen möchte. Tatsächlich wollte Bernhard aus Überdruss vor der deutschsprachigen Presse, dass Sáenz ein Interview mit ihm führt. Ein Treffen wurde vereinbart, konnte aber aufgrund von Bernhards Erkrankung und Tod nicht stattfinden (vgl. Sáenz 2017: 79f.). Die Erzählung beginnt mit ebendieser Verabredung, Gómez Macchia erschafft eine alternative Realität, in der Sáenz und Bernhard typische Orte in Wien und Oberösterreich besuchen, begleitet von Bernhards beliebten Anfeindungen gegen alles und jede:n.
Diese Leute verstehen nichts. Sie glauben, dass ich Wien hasse, obwohl ich in Wirklichkeit Wien liebe. Sie müssen mehr als alle anderen mit dieser Art von Problemen vertraut sein: es sind nämlich Probleme der Übersetzung. Die Leute können nichts übersetzen. Die Leute glauben, dass sie übersetzen können, aber sie können nicht übersetzen. Die Leute nehmen die Ideen von anderen auf und übersetzen sie in ihre eigenen schlecht übersetzten Ideen (a priori) und in ihre eigenen Kontexte (schlecht übersetzt) und erschaffen eine abweichende Realität durch eine falsche Übersetzung, nicht?
Alejandra Gómez Macchia: Bernhard se muere, Valencia: Pre-Textos 2019, S. 22f. (Übers. M. T.).
Marie Theissing, 7. April 2022.
Zitate im Original
»Esta gente no entiende nada. Creen que odio Viena cuando en realidad amo Viena. Usted más que nadie ha de estar familiarizado con esta clase de problemas: son problemas de traducción, precisamente. La gente no sabe traducir nada. La gente cree que sabe traducir, pero no sabe traducir. La gente acomoda y traduce las ideas de otros a sus propias ideas mal traducidas (a priori) y a sus propios contextos (mal traducidos), creando una realidad aberrante por medio de una traducción equívoca, ¿no?« (Gómez Macchia 2019: 22f.)
Literaturverzeichnis
Gómez Macchia, Alejandra: Bernhard se muere. Valencia: Pre-Textos 2019.
Sáenz, Miguel: »Bernhard spricht Spanisch«. In: Ein übersetztes Buch ist wie eine Leiche: Übersetzer antworten Thomas Bernhard: Erstes Internationales Bernhard-Übersetzer-Symposium, Wien, am 28. März 2017. Wien: Korrektur Verlag 2017. S. 77-88.