Finnland

                Kari Hukkila

           Markku Paasonen

 

»Das Thomas-Bernhard-Fieber, das in letzter Zeit um sich greift, scheint nicht nachzulassen.« (»Hiljattain vauhtiin päässyt Thomas Bernhard-huuma ei ota laantuakseen«, Mäkijärvi 2015: n. p.; Übers. C. B.) So beginnt der finnische Journalist Esa Mäkijärvi seine Rezension von Markku Paasonens Debütroman Pienet kalat syövät suuria kaloja (2014, dt. Kleine Fische fressen große Fische), dem er attestiert, es handle sich um einen ebenso originellen wie eleganten Bernhard-Pastiche, der allerdings weniger düster ausfalle als ihr Vorbild (vgl. Mäkijärvi 2015: n. p.).

Das ›Fieber‹ ist auch der relativ späten Entdeckung Bernhards für finnischsprachige Leser:innen geschuldet: Tatsächlich erscheint, nach einer zeitnahen Übertragung von Der Theatermacher (1984) durch den Handke-Übersetzer Markku Mannila – 1988 als Teatterintekijä –, die Mehrzahl an Bernhard-Übersetzungen ins Finnische erst in den 2010er Jahren, abwechselnd von Olli Sarrivaara für Lurra Editions und Tarja Roinila für Teos besorgt. Den Anfang machte 2007 Holzfällen, auf Finnisch Hakkuu: Muuan mielenkuohu, wobei in der Folge vor allem das Prosawerk inklusive der Autobiographie übersetzt wurde. Einen ersten Höhepunkt der diagnostizierten Bernhard-Welle, die gleichwohl eher ein Nischenphänomen sein dürfte, markiert der Artikel »Itävaltalaista Thomas Bernhardia ihailtiin ja paheksuttiin« (dt. Der Österreicher Thomas Bernhard wurde bewundert und verschmäht) des umtriebigen Schriftstellers – und spätestens mit seinem Roman Tuhat ja yksi, (2016, dt. Tausend und eins) produktiven Bernhard-Rezipienten – Kari Hukkila. Er erscheint 2012 im Kulturteil der wichtigsten Tageszeitung Finnlands in der bezeichnenden Rubrik »Kuka?« (dt. Wer?).

Während bislang die Theaterstücke überwiegend nicht auf Finnisch veröffentlicht sind, stellt die 2016 publizierte Übersetzung des Briefwechsels zwischen Thomas Bernhard und Gerhard Fritsch – die voraussichtlich letzte Übersetzung aus dem Verlagshaus Lurra (vgl. Ojala 2016: n. p.) – ein Kuriosum der finnischen Bernhard-Rezeption dar. Auf besonderes Interesse scheinen biografische Kontexte zu stoßen, anhand derer man den ›eigentlichen‹ Bernhard – »Bernhardin todellinen persoona« (Ojala 2016: n. p.) – jenseits der Kunstfigur ans interpretative Licht zerren will. 

Sprachlich interessant ist schließlich das Fehlen von interlingualen Äquivalenten für typische Titelkonstruktionen Bernhards, die einen Übertitel mit bestimmtem Artikel verbindet mit einem Untertitel mit unbestimmtem Artikel. Im Finnischen, das weder bestimmte noch unbestimmte Artikel kennt, geht dieses Spezifikum unweigerlich verloren: Aus Die Kälte: Eine Isolation (1981) beispielsweise wird Kylmyys: Eristys (dt. Kälte: Isolation).

 

C. B.

 

Literaturverzeichnis

 

Hukkila, Kari: »Itävaltalaista Thomas Bernhardia ihailtiin ja paheksuttiin«. In: Helsingin Sanomat, 12. Feburar 2012, https://www.hs.fi/kulttuuri/art-2000004856348.html (eingesehen 29. Mai 2022).

Mäkijärvi, Esa: »Puolisynkkä yksinpuhelu«. In: Kiiltomato-Lysmasken, 29. Jänner 2015, https://kiiltomato.net/critic/markku-paasonen-pienet-kalat-syovat-suuria-kaloja/ (eingesehen 31. Mai 2022).

Ojala, Antti: »Postikortteja, kirjeitä ja traagis-pateettisia tunnustuksia«. In: Kiiltomato-Lysmasken, 7. September 2016, https://kiiltomato.net/critic/thomas-bernhard-ja-gerhard-fritsch-kirjeenvaihtoa/ (eingesehen 31. Mai 2022).

Vuola, Sinikka: »Kulttuurieliitistä kitkerästi«. In: Kiiltomato-Lysmasken, 13. Dezember 2007, https://kiiltomato.net/critic/thomas-bernhard-hakkuu-muuan-mielenkuohu-holzfallen-eine-erregung/ (eingesehen 31. Mai 2022).