Stephen Downes

Stephen Downes (geb. 1960) ist ein franko-australischer Schriftsteller, Journalist und (gefürchteter) Restaurantkritiker, unter anderem für die auflagenstärkste australische Tageszeitung, die Herald Sun. Neben dem Thema Kulinarik, dem er auch mehrere Sachbücher gewidmet hat, gilt Downes journalistische, literarische und wissenschaftliche Aufmerksamkeit in den letzten Jahren vor allem dem Klavierspiel. Die Biographie A Lasting Record (2013) taucht in das kurze Leben des exzentrischen New Yorker Konzertpianisten William Kapell ein, der während einer Tournee einundreißigjährig bei einem Flugzeugabsturz stirbt.

Downes Debütroman The Hands of Pianists (2021), hervorgegangen aus seiner Doktorarbeit in Kreativem Schreiben an der Monash University, erzählt die Geschichte eines spleenigen Journalisten, der zu einer Fingerverletzung und damit zum Suizid seiner Schwester, einer Pianistin, beigetragen hat. In seiner trauernden Not versucht er allerdings, den Klavieren selbst die Schuld am Unglück der sie Spielenden zu geben.

Die Symbiose aus Exzentrik und Klavierspiel, die Thomas Bernhard im Roman Der Untergeher (1983) in der Figur Glenn Gould als »klavieristische Weltverblüffung« mit »Virtuosenkopf« (Bernhard 2006: 53) verewigt, scheint in der produktiven Bernhard-Rezeption an mehreren Stellen auf: von der Obsession mit selbstspielenden Pianolas (William Gaddis) bis zu einer scheiternden Klavierbauer-Innovation (Murray Bail). Downes hat Der Untergeher nicht nur gelesen, er empfiehlt diese verrückte Geschichte (»crazy narrative«) routinierten Leser:innen, die eine echte Herausforderung suchen; die können sie finden in den seltsamen Wiederholungen, dem unerbittlichen Ton und dem eigenartigen Philosophieren des hypnotisierenden Romans (»Let yourself be hypnotised by this novel’s strange repetitions, its relentless tone, its odd philosophising, and unusual reportage.«, Downes 2022: n. p.) Sein eigener Klavier-Roman The Hands of Pianists sei vor allem von W. G. Sebalds Erzähltechnik geprägt (vgl. Downes 2022: n. p.), doch klingen die von Einschüben und Inquit-Formeln (hier »schrieb er«) durchsetzten Passagen auch nach Bernhard, im Folgenden sogar mit direktem Verweis:

Sie trafen sich ziemlich oft — JL fuhr hinunter in den Küstenort Port Albert oder sein Cousin fuhr den Calder Freeway hinauf — so dass sie sich auf wohlwollende Weise über die neuesten Romane, Schriftsteller im Allgemeinen und Grammatik und Zeichensetzung streiten konnten. Terry konnte zum Beispiel keinen Sinn darin sehen, Infinitive nicht zu trennen, wenn es das Lesen und Schreiben und die Kommunikation erleichterte, während ich, so schrieb JL, ein Pedant bin und mich nicht überwinden kann, es zu wagen. Ich habe ihn einmal angerufen, schrieb er, um ihm mitzuteilen, dass ich einen getrennten Infinitiv gefunden hatte — to ever hear — auf Seite 73 von Nostromo, Conrads großartigster Erzählung. Conrad, der Pole, der ein englischer Pedant geworden war! Terry mochte die Bücher von John Banville, ich nicht, und ich versuchte, ihn dazu zu bringen, W. G. Sebald und Thomas Bernhard zu lesen und sogar ein oder zwei der Novellen von Patrick Modiano, der sehr scharfsinnig zu sein scheint und ein buchstäblicher Wanderer in der großen Tradition der wandernden Schriftsteller ist, die das aufnehmen, was sie umgibt. 

Stephen Downes: The Hands of Pianists. Burlington/VT: Fomite 2021, S. 213f. (Übers. J. W.)*

 

J. W.

Zitate im Original

* »They met fairly often — JL would drive down to the coastal village of Port Albert or his cousin would drive up the Calder freeway — so that they could argue in a good-natured way about the latest novels, writers in general and grammar and punctuation. Terry could see no point in not splitting infinitives if it made reading and writing and communicating easier, for instance, whereas I, JL wrote, am a stickler and can’t abide to boldly go. I once phoned him, he wrote, to say that I’d found a split infinitive — to ever hear — on page 73 of Nostromo, Conrad’s greatest story. Conrad, the Pole who had become an English stickler! Terry liked John Banville’s books and I didn’t, and I tried to get him to read W. G. Sebald and Thomas Bernhard and even one or two of the novellas of Patrick Modiano, who seems very perceptive and is a literal wanderer in the great tradition of walking-writers who take in what surrounds them.« (Downes 2021: 213f.)

Literaturverzeichnis

Bernhard, Thomas: Der Untergeher [= Werke 6], hg. von Renate Langer. Frankfurt am Main: Suhrkamp 2006. 

Downes, Stephen: »The best novels to challenge hardcore readers«. In: Sheperd.com, Februar 2022, https://shepherd.com/best-books/to-challenge-hardcore-readers (eingesehen 17. Juni 2022).

Downes, Stephen: The Hands of Pianists. Burlington/VT: Fomite 2021.