Michael Stavarič

(Geb. 1972 in Brünn)

Eintrag: Österreich / Tschechien

… und nicht, dass ich mich an etwas erinnern könnte, das im Vorfeld dieser ganzen Misere passiert wäre, ich also irgendeine »vorweltliche« Schuld zu begleichen gehabt hätte, die ich nunmehr abarbeiten müsse, es ist wohl einzig und allein die Sache meiner Eltern gewesen, in diesen Wahnsinn einzuwilligen, und ihn durch ihre Einwilligung überhaupt erst zu ermöglichen, den Thom, dieses hier nichts zu suchen habende Phantom, ins irdische Jammertal zu verfrachten, was einer Geisteserweiterung und Geisteserleuchtung größtmöglich abträglich ist, ganz zu schweigen von allgemeinen, ihm (also mir) auferlegten und gar nicht oft genug zu bekrittelnden Lebensumständen, die einer »Geistesbeengung« und Geistesnötigung par excellence gleichkommen, einem (also mich) einer jeglichen Zuneigung beraubend und einem (also mir) eine jede noch so kleinste Lieblichkeit absprechend, ja diese förmlich abklemmend, wenn nicht gar unwiderruflich abtötend, und so blieb ich demnach viel zu lange den überforderten, ja überfordertsten Erziehungsberechtigten ausgesetzt, ihrer kaputten und immer doch irgendwie verklemmten Ehe, der jeglicher Gestaltungswille verloren gegangen war und die sich unweigerlich der Vernichtung aller guten Dinge verschrieben hatte.

Michael Stavarič: Das Phantom, München: Luchterhand 2023, S. 71f.