Bernhard zu lesen ist nicht schwer. Wie beim Üben eines Musikstücks muss man zunächst seinen Satzbau verinnerlichen, man muss seine Art verstehen, mit Wiederholungen zu arbeiten, bei denen Personen und Ereignisse, aber auch einzelne Wörter und Sätze in einem Kontext vorkommen, nur um mehrere Seiten später wieder aufzutauchen. Man muss lernen, wie er seine Abschnitte aufbaut, in denen oft mehrere Ereignisse gleichzeitig wiedergegeben werden, eingeschoben in Nebensätzen; man muss lernen, seine eleganten Übergänge zwischen verschiedenen Erzählebenen vorwegzunehmen, die den Text manchmal so komplex machen, dass er den Charakter von etwas Physischem, fast Materiellem annimmt. Durchgehend bemerkt man die totale Präsenz eines Bewusstseins in der Sprache, ein Text, der in jedem Moment mitdenkt.

Steve Sem-Sandberg: »Essä. Hos Thomas Bernhard går storhetsvansinnet och självhatet hand i hand«, in: Dagens Nyheter, 3. Juni 2021 (Übers. von L. P., E. B.).