Paul Nizon

(Geb. 1929 in Bern)

Bei der Lektüre des Briefwechsels zwischen Thomas Bernhard und Unseld ist für mich bei beiden Kontrahenten das Unternehmerische auffallend. Sie sind vorab Geschäftspartner, beide daran interessiert, Bernhards aufsehenerregende Ware nicht nur unters Volk zu bringen, sondern zu versilbern, der Verleger ist zu guten Teilen Bernhards Agent und dies in meinen Augen im großen Stil. Es geht um Verhandlungen mit Theatern, es geht um finanzielle Transaktionen (nicht nur um Vorschüsse), Überweisungen, Forderungen, und dann von Verlegers Seite um die via Verkauf zu erlangende Kostendeckung der investierten Summen; es geht um Rechtsfälle, um Öffentlichkeitsarbeit (Zeitungsredaktionen, Presse u. Fernsehen), es geht zu diesem Behufe um immer neue Verabredungen in irgendwelchen Städten des In- und Auslands, wie Bernhard beliebt; und innerhalb dieser Treffen geht es um Luxus, Luxushotels, Kurorte, Internationalität. Bernhard war nicht nur selbstbewußt bis größenwahnsinnig, er war ein schrecklicher Beschimpfer, Herausforderer, Forderer überhaupt. Eine solche Partnerschaft entsprach einem Menschen von Unselds verlegerischem Format und Hunger, beider Eitelkeiten sorgten für Spannung und Funkenschlag. Eigentlich ist in diesem Briefwechsel von Literatur kaum die Rede, es wird einfach Bernhards Genialität stillschweigend vorausgesetzt. 

Paul Nizon: Urkundenfälschung. Journal 2000-2010, hg. von Wend Kässens, Berlin: Suhrkamp 2012, S. 339f.