John Updike

(Geb. 1932 in Reading, Penn., gest. 2009 in Danvers, Mass.)

Obwohl in seinem Werk das Thema Krankheit vorherrschend ist, war ich erschüttert, als ich von Thomas Bernhards frühem Tod hörte. Ich kann mich keineswegs als gründlichen Kenner seiner Bücher bezeichnen, aber die wenigen, die ich gelesen habe, haben mich tief beeindruckt. Meiner Ansicht nach war er eine der authentischen Stimmen im Nachkriegseuropa. In seinem Schreiben vermochte er gleichzeitig einer großen Wut und seiner ebenso großen Liebe zu künstlerischer Ordnung Ausdruck zu verleihen. Die eigenartige Form seiner Ironie und seine besondere Aufrichtigkeit zeugten von Größe; er gehört damit in eine Reihe mit den hervorragendsten deutschsprachigen Autoren dieses Jahrhunderts, neben Thomas Mann und Franz Kafka, neben Günter Grass und Peter Handke. Als Schriftsteller war er singulär, a class act, wie man in Amerika sagt. Seinen Büchern nach zu schließen war er vielleicht kein sonderlich liebenswerter Mensch, aber er hat die Wahrheit geliebt, seine eigene.

 

John Updike: »Große Wut, große Liebe«, in: Die Zeit, 24. Februar 1989.