Frank Witzel

(Geb. 1955 in Wiesbaden)

Es ist nicht eindeutig auszumachen, ob es sich bei dem Schreibprojekt FRIEDRICH SATTLERS, geb. am 20. 4. 1942 in Dormagen, um eine groß angelegte konzeptionelle Arbeit handelt, die nach eigener Aussage eine Abkehr von der Malerei und eine Hinwendung zur Literatur markiert, oder ob sie sich überhaupt erst aus einer künstlerischen Praxis entwickeln konnte. Sattler war nach dem Abitur Malschüler von Otto Andreas Schreiber (1907–1978) und half ihm bei der Ausführung der großen Glasarbeit (20 × 6 Meter) für das Städtische Gymnasium Dormagen, eine Darstellung der Musen in zehn Bildern, von denen über die Hälfte 2018 bei Restaurierungsarbeiten zerstört wurden. Als Sattler erfuhr, dass sein Lehrer bis kurz vor Kriegsende bei der Organisation Kraft durch Freude tätig gewesen war, stürzte ihn das in eine existenzielle Krise, aus der ihm, nach eigenen Angaben, die Lektüre der Werke Thomas Bernhards heraushalf. Sattler begann zu schreiben und trat in einen inneren Monolog mit Bernhard ein, der seine Texte oft epigonal erscheinen lässt, obwohl deutlich eigene Züge auszumachen sind. 1988 veröffentlichte er als einziges Buch Kältegang. Als im folgenden Jahr Thomas Bernhard starb, schrieb er unter dem Titel In hora mortis einen Nachruf in der Westdeutschen Allgemeinen. Es sind keine weiteren Veröffentlichungen von Sattler bekannt. (…)

Ein solcher Einfluss, wie der von Thomas Bernhard für Friedrich Sattler, kann nicht selten dazu führen, dass ein Autor unfähig wird, überhaupt noch etwas zu schreiben, selbst wenn er mit seinem Stil so weit von dem vermeintlichen Vorbild entfernt ist wie etwa Debussy, der nach Anhören des Tristan das Komponieren aufgeben wollte, von Wagner. ADAM LÖFFERT, geb. am 3. 9. 1963 in Kahl am Main, scheint zu Beginn seines Schreibens ebenfalls unter dem Einfluss von Bernhard gestanden zu haben, wie an seinen 1998 veröffentlichten und noch nicht einmal antiquarisch mehr auffindbaren Bernhardiania (1998) abzulesen ist.

Frank Witzel: Meine Literaturgeschichte des 20. Jahrhunderts, Berlin: Matthes & Seitz 2024, S. 168f., 171ff.