Benjamin von Stuckrad-Barre

Benjamin von Stuckrad-Barre (geb. 1975 in Stuhr bei Bremen) ist ein deutscher Schriftsteller, Moderator und Journalist. Mit seinem 1998 erschienenen Debütroman Soloalbum, der aufgrund seines dichten Netzes an pop- und alltagskulturellen Verweisen zum Genre der Popliteratur gezählt wird, gelang ihm der Durchbruch. Eines seiner bekanntesten Werke ist der autobiographische Roman Panikherz (2015), der seine langandauernde Alkohol- und Kokainabhängigkeit und seine Freundschaft zum Musiker Udo Lindenberg thematisiert. Stuckrad-Barre verfasste mit Helmut Dietl das Drehbuch für dessen Film Zettl (2012). In der Harald Schmidt Show, für die er ebenfalls Texte schrieb, führte er gemeinsam mit Harald Schmidt in der Sendung vom 13. Juni 2001 Claus Peymann kauft sich keine Hose, geht aber mit essen (2001) auf, seine Parodie auf Bernhards Dramolett Claus Peymann kauft sich eine Hose und geht mit mir essen (1986).

Das Dramolett zeigt den ehemaligen Burgtheaterdirektor und inzwischen Intendanten des Berliner Ensembles Claus Peymann beim Hosenkauf in einem Berliner Geschäft am Kurfürstendamm. Seinem Begleiter, Stuckrad-Barre, erzählt Peymann dabei vom Hosenkauf mit Thomas Bernhard in Wien, sinniert über die Rolle des Theaters und teilt einige Bernhard-Anekdoten. Schlussendlich findet Peymann keine passende Hose und kauft stattdessen ein schwarzes T-Shirt, das von Stuckrad-Barre bezahlt werden muss, da Peymann sein Portemonnaie im Theater vergessen hat. Anschließend schlendern beide über den Kurfürstendamm und gehen in ein italienisches Restaurant, wo Peymann sich einen Vorspeisenteller am Buffet zusammenstellt. 

Thomas Bernhard schreibt sich explizit in sein 1986 erschienenes Dramolett Claus Peymann kauft sich eine Hose und geht mit mir essen als Figur ein und lässt sich im Dialog mit dem fiktionalisierten ehemaligen Burgtheaterdirektor Peymann über das Hosenkaufen an sich, die Theaterkonventionen der Zeit und den politischen Niedergang in Österreich aus. Treffsicher karikiert Bernhard dabei sowohl seine eigenen als auch Peymanns kommunikative Stileigenheiten, während die Figuren durch Wien wandeln und sich nach erfolgreichem Hosenkauf eine Rindsuppe gönnen. Eben dieses Spiel mit realen Persönlichkeiten im Spannungsfeld von Fiktionalität und Faktualität sowie die damit einhergehende Verwirrung des Lese- bzw. Theaterpublikums greift der bekennende Bernhard-Anhänger Stuckrad-Barre in seiner Parodie auf. Inhaltlich setzt er bei den Leerstellen des Ausgangstextes an, die nun, Jahre später, im Berliner Setting gefüllt werden; mit sich selbst als Autor anstelle von Thomas Bernhards, wodurch sich eine parallele Figurenkonstellation ergibt. Schließlich wird auch der Verbleib der titelgebenden Hose aus Bernhards Dramolett aufgeklärt. Peymann hat seinerzeit in einem Luxusgeschäft am Wiener Graben leichte Sommerhosen der Firma Zegna herausgesucht und »die zweitprobierte gekauft und nicht mehr ausgezogen« (Bernhard 2012: 79), was plausibel erscheint mit Blick auf die Enge der Hosenprobierzellen, in denen konstant der »Kleiderhausprobierzellenschlag« (82) drohte:

Die war übrigens braun, die ich damals mit Bernhard gekauft habe, und aus Schnürlsamt war sie. Der Bernhard wollte unbedingt mit mir eine Hose kaufen, und da habe ich diese Hose gekauft unter seinem Druck. Die habe ich dann von dem Fahrer des Burgtheaters, der dann später auch mein Fahrer wurde, das ist ja schon viel, viel länger her, bevor ich Burgtheaterdirektor wurde, die hat der Fahrer mir dann auf die Probe gebracht, die musste noch geändert werden, dann habe ich sie jahrelang sentimental im Schrank verwahrt – oder Kasten, wie man in Österreich sagt. Dann habe ich sie später, als ich Direktor wurde, dem Fundus des Burgtheaters einverleibt, was ich mit meinen abgelegten Klamotten immer tue. Ich gebe das weg, die Schränke werden sonst zu voll, ich kann das nicht alles speichern. Und dann habe ich viele Jahre später mal gesagt, Mensch, ich habe da vor Jahren mal eine Hose in den Fundus gegeben, die wäre jetzt doch ideal für das Stück, ich weiß nicht mehr, welches das war, und dann haben wir angefangen, diese Hose zu suchen, die war aber nicht mehr da. Jetzt gibt es einen Unbekannten, der seit Jahren mit meiner Bernhardhose rumläuft, ohne zu ahnen, welches Kunstwerk er da auf seinen Arschbacken hat.

Benjamin von Stuckrad-Barre: »Claus Peymann kauft sich keine Hose, geht aber mit essen«, in: Deutsches Theater, Köln: Kiepenheuer & Witsch 2001, S. 11f.

 

Nicolai Jenny

Literaturverzeichnis

Bernhard, Thomas: Claus Peymann kauft sich eine Hose und geht mit mir essen. In: Dramen VI [= Werke 20], hg. von Martin Huber und Bernhard Judex. Berlin: Suhrkamp 2012. 

Stuckrad-Barre, Benjamin von: »Claus Peymann kauft sich keine Hose, geht aber mit essen«. In: Deutsches Theater. Köln: Kiepenheuer & Witsch 2001, S. 11-21. [Zuerst in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17. März 2001].

Schmidt, Harald: »Claus Peymann kauft sich keine Hose, geht aber mit essen«. In: Harald Schmid Show, 13. Juni 2001, https://www.youtube.com/watch?v=zLk-zRcmdy8.