Hans-Ulrich Treichel

(Geb. 1952 in Versmold)

Während des Essens schlug Bergmann vorerst keinen einzigen Takt, sondern konzentrierte sich ganz auf das, was er selbst »das Weinproblem« nannte. Bis zu diesem Augenblick, sagte Bergmann, der gerade den ersten Schluck Wein genommen hatte, habe er gedacht, daß das Weinproblem gelöst sei. Nun müsse er aber feststellen, daß es das Problem noch immer gebe. »Erst hatten wir keinen Wein, nun haben wir diesen Wein«, sagte Bergmann. »Das ist der Wein, der bestellt wurde«, sagte Bruno, worauf Bergmann sagte, daß dies wohl der Wein sei, der geliefert, nicht aber der Wein, der bestellt wurde. Er habe den Figeac Zweitwein bestellt. Dies aber sei der Figeac Erstwein. Wenn er Wein bestelle, würden die Leute immer denken, er wolle Erstwein, auch wenn er Zweitwein bestelle. Und dies nur, weil sein snobistischer Londoner Weinhändler glaube, ein Bergmann trinke immerzu und überall Erstwein. Er sei aber noch viel snobistischer, als sein snobistischer Londoner Weinhändler sich je würde vorstellen können, sagte Bergmann. Er sei so snobistisch, daß er schon seit längerem die Erfahrung mache, daß die sogenannten Zweitweine in Wahrheit die Erstweine seien und umgekehrt. Auch wenn sie nur die Hälfte kosteten. Er zahle gern die Hälfte sagte Bergmann, wenn er dafür das Doppelte bekomme.

Hans-Ulrich Treichel, Tristanakkord, Frankfurt am Main: Suhrkamp 2000, S. 59f.