Karl-Heinz Ott

(Geb. 1957 in Ehingen)

Es muss um 1983 gewesen sein, als ein Freund Hymnen auf Thomas Bernhards Der Untergeher sang. Ich hatte noch nie Bernhard gelesen. Weil der Freund mit seiner Schwärmerei aber gar nicht aufhören wollte, rannte ich in eine Buchhandlung, spazierte mit dem Untergeher in die Tübinger Platanenallee, setzte mich auf eine Bank und war gespannt. Nach fünfzig Seiten zerriss ich vor Wut das Buch.

Es handle sich um einen Roman über Glenn Gould, hatte der Freund behauptet. Das war eine glatte Lüge. Auch der Klappentext log. Mit Glenn Gould hatte das rein gar nichts zu tun. Lange Zeit schaute ich nie wieder in ein Bernhard-Buch.

Jahre später las ich fast den gesamten Bernhard, in wenigen Wochen. Sollte es ein Lieblingsbuch geben, ist es Wittgensteins Neffe. Vor allem wegen der stundenlangen Autofahrt, wo die beiden Arroganzlinge von Protagonisten durch halb Österreich kurven, um eine NZZ aufzutreiben, wegen einer Besprechung von Mozarts Zaide. Die groteske Feier irrer Vergeblichkeit.

Karl-Heinz Ott: »Der beste Bernhard meines Lebens«, in: Welt, 12. Februar 2019.