Mathias Énard

(Geb. 1972 in Niort)

Der Kaffee treibt mir den Geruch von Opium in die Nase, ich habe eine halbe Tablette Rohypnol im Koffer, aber die hebe ich für den Notfall auf, einstweilen gebe ich mich der sanften Droge Erinnerung hin und lasse mich von diesem umherirrenden Zug wiegen, der wie ein Bär auf seinen Schwellen tanzt, Bäume, hochstämmige Bäume, Bäume zum Fällen, Holzfällen, Holzfällen, rief diese Thomas Bernhard-Figur in ihrem Ohrensessel und verfluchte damit die Schauspieler und die gute Wiener Gesellschaft, nie werde ich so schreiben, Wlado, weißt du, nie, niemals, diese beispiellose, boshafte, bezaubernde Sprache mit ihren bis zur Hypnose reichenden Wiederholungen und ihrer Bösartigkeit, ihrer irren Bosheit, ich war zwanzig, als ich dieses Buch las, Wlad, zwanzig, und ich wurde von einer unglaublichen Energie gepackt, einer zornsprühenden Energie, die in einem Feuerwerk von Traurigkeit explodierte, weil ich wusste, nie würde ich so schreiben können, ich war nicht wahnsinnig genug oder nicht zugedröhnt oder nicht vollgepumpt genug…

Mathias Énard: Der Alkohol und die Wehmut, übers. v. Claudia Hamm, Berlin: Matthes & Seitz 2016, S. 44f.

Zitat im Original

»Le café me remet dans les narines l’odeur de l’opium, j’ai une demi-tablette de Rohypnol dans ma valise, mais je les garde en cas de coup dur, maintenant je préfère me laisser aller à la drogue douce du souvenir, bercé par les errances de ces trains qui danse comme un ours sur ses traverses, des arbres, des arbres de haute futaie, des arbres à abattre, holzfallen, holzfallen, comme criait ce personnage de Thomas Bernhard dans son fauteuil à oreilles, en maugréant contre les acteurs et la bonne société de Vienne, jamais je n’écrirai comme ça, Vlado, tu sais, jamais jamais, cette langue inouïe, répétitive jusqu’à l’hypnose, méchante, incantatoire, d’une méchanceté, d’une méchanceté hallucinée, j’avais vingt ans quand j’ai lu ce livre Vlad, vingt ans et j’ai été pris d’une énergie extraordinaire, d’une énergie fulgurante qui a explosé dans une étoile de tristesse, parce que j’ai su que je n’arriverais jamais à écrire comme cela, je n’étais pas assez fou, ou pas assez ivre, ou pas assez drogué…« (Mathias Énard: L’Alcool et la Nostalgie, Arles: Actes Sud 2011, S. 41f.)