André Müller

(Geb. 1946 in Michendorf, Deutschland, gest. 2011 in München)

Während ich darüber nachdachte, wie ich in Zukunft das Nachdenken über Wert oder Unwert des Schreibens vermeiden könnte, begann ich, die Schreibmaschine zu säubern. Es entstand eine Verzögerung, durch welche die Gedanken Gelegenheit hatten, das Schreiben zu überholen. Ich erkannte, daß es vor allem anderen darauf ankam, eine Methode zur Verhinderung der Überholung des Schreibens durch das Denken zu finden. Ich durfte so lange nicht aufhören zu schreiben, so lange ich dachte. Als einzige Erholung erlaubte ich mir das Schlafen. Um zum Schlafen zu kommen, mußte ich erste zu einer durch das Schreiben verursachten Erschöpfung gelangen. Zwischen dem Ende des Schreibens und dem Anfang des Schlafens durfte mir keine Zeit für einen Gedanken bleiben, schon gar nicht den Gedanken an die Sinnlosigkeit meines Schreibens als Ablösung des Denkens. Anstatt mir über die Sinnlosigkeit des Schreibens Gedanken zu machen, nahm ich mir vor, das Denken über die Sinnlosigkeit sofort zu Papier zu bringen. Das Aufschreiben der Sinnlosigkeit des Denkens erschien mir sinnvoller als das Nachdenken über die Sinnlosigkeit des Schreibens.

André Müller, Gedankenvernichtung, Wien: Brandstätter 1984, S. 8.