Lilian Faschinger

(Geb. 1950 in Steindorf am Ossiacher See)

Im Grunde erstaunte mich das Wissen der beiden Möbelpacker nicht sehr, hatte ich doch schon öfter die Erfahrung gemacht, daß die soge­nannten einfachen Leute in Wirklichkeit meist größeres künstlerisches Verständnis und höchste Sensibilität erkennen lassen, wogegen die so­genannten Gebildeten fast immer die dümmsten sind. Nie habe ich mich tödlicher gelangweilt als in Gesellschaft sogenannter Gebildeter, nie habe ich mir einfältigere Gespräche anhören müssen denn als Gast der sogenannten Kunstsinnigen in ihren kunstsinnig eingerichteten Wohnungen. […]

Kaum etwas ist einschläfernder als die Konversation der sogenannten gebildeten Schichten, kaum etwas geisttötender als die Umgebung, die sie sich geschaffen haben. Hat man eine kunstsinnig eingerichtete Wohnung gesehen, hat man alle gesehen. Hat man eine kunstsinnig zubereitete Mahlzeit hinuntergewürgt, hat man sie alle hinuntergewürgt. Die Gespräche der Kunstsinnigen bestehen aus vorgefertigten, genormten Teilstücken, jedes originäre Wort, das dazwischengesetzt wird, wirft sie aus ihrer Gesprächsbahn und verwirrt sie zutiefst.

Lilian Faschinger: Magdalena Sünderin, Wien: Kremayr & Scheria 1995, S. 48f.