Werner Kofler

(Geb. 1947 in Villach, gest. 2011 in Wien)

Haben Sie mich in Alte Meister gelesen? Gewiß haben Sie mich in Alte Meister gelesen, eine Paraderolle, wie gesagt wird… Den Stock zwischen die Knie geklemmt auf der Sitzbank des Bordone-Saals im Kunsthistorischen Museum, schon kann es losgehen mit der Vernichtungsrhetorik, mit der Poesie der Urteilstafeln, mit der Schimpfkanonade, auf los! geht’s los! Ich brauche nur zu sagen: Dieses Land ist eine Senkgrube der Lächerlichkeit oder An jedem Morgen steigt uns die Schamesröte ins Gesicht vor soviel Lächerlichkeit, und für die deutsche Literaturkritik, für den Zeitmichaelis oder diesen anderen Blödian von der Frankfurter Allgemeinen, ich habe seinen Namen vergessen, handelt es sich schon um eine Offenbarung, um eine literarische Weltverblüffung. Ich brauche nur aufzutreten und zu sagen: Sie leben in einer durch und durch lächerlichen und in Wirklichkeit verkommenen Welt – welche Vernichtungswut! Die ganze Welt ist heute eine lächerliche, das ist die Wahrheit – welche Denunziationslust! Ein so schönes Land und ein so abgrundtiefer moralischer Morast – die Kunst der Fuge! Hier schreibt sich ein Autor unbeirrt in die Weltliteratur hinein! In einem so hoch bewerteten Buch der Held zu sein, ist natürlich ein Vergnügen, und die vollkommene Inkompetenz der Lobhudler, was schert sie mich?

Werner Kofler: Am Schreibtisch. Alpensagen / Reisebilder / Racheakte, Reinbek: Rowohlt 1988, S. 106f.