Daniel Kehlmann

(Geb. 1975 in München)

Ich mochte Thomas Bernhard nie, das habe ich immer schon gesagt. Ich weiß auch nicht, wie sakrosankt Bernhard wirklich ist und ob man damit noch wirklich Leute verärgern kann. Für mich ist Literatur die Kunst des genauen Hinschauens, die Kunst der Überraschung und der Beschreibung, die versucht, einen neuen Blick auf Dinge zu werfen. Bernhard steht für das Gegenteil: Sein Werk besteht aus sich selbst reproduzierender Sprache, die immer weltloser wird, nicht mehr hinschaut und immer weniger Überraschungen bereithält. Bernhards Stellung als hoch geförderter Autor, der zugleich den Nimbus des Verfolgten hat, hat etwas sehr Österreichisches. In der österreichischen Nachkriegsliteratur gibt es diese seltsame Konstellation, die dann in der Politik Jörg Haider perfektioniert hat: Regierung und Opposition in einer Person zu vereinen.

Daniel Kehlmann: »›Am liebsten würde ich das Buch in die Ecke schmeißen‹: Über seinen Sensationserfolg & Literaturgroupies«, Interview mit Wolfgang Paterno, in: Profil, 1. Juni 2006.