Jean Améry

(Geb. 1912 in Wien, gest. 1978 in Salzburg)

Aus zwiefachem Grunde erscheint mir die Lektüre der Jugenderinnerungen oder erinnernden Alp- und Voralpenträume Bernhards als unerläßlich. Zuvörderst darum, weil man hier in der Tat die Ursache dafür erkennt, daß dieser Schriftsteller nicht etwa nur ein ›düsterer‹ ist, wie es jedermann sagt, vielmehr ein Mensch und Autor, der mit Tod und Wahnsinn Umgang hat, gleich dem Gelehrten Roithamer aus dem Roman Korrektur, gleich Wittgenstein, gleich auch seinem engeren Landsmann Georg Trakl. Danach: um vertraut zu werden, so gut es eben geht, mit einem kleinen, seine Persönlichkeit noch immer vergebens suchenden Lande, das überquillt und stets überquoll von außerordentlichen Begabungen.

Jean Améry: »Morbus Austriacus. Bemerkungen zu Thomas Bernhards Die Ursache und Korrektur«, in ders.: Aufsätze zur Literatur und zum Film [= Werke 5], hg. von Hans Höller, Stuttgart: Klett-Cotta 2003, S. 136f.