Michael Scharang

(Geb. 1941 in Kapfenberg)

Der Ober eilte herbei und fuchtelte vor meinem Gesicht herum, als wollte er mir den Mund zuhalten; ich aber faßte ruhig nach seinen Händen und legte sie auf die kühlende Marmorplatte. Er genoß das und sagte, was ihm zu sagen auferlegt war, ohne Groll: Der Herr Burgtheaterdirektor hat sich über Sie beschwert; er ist in ein Gespräch mit Herrn Bernhard vertieft, der aber einschlief, und nun fürchtet der Herr Direktor, daß Herr Bernhard geweckt werden könnte, ausgerechnet jetzt, da der Herr Direktor in ein Gespräch mit Herrn Bernhard vertieft ist. Ach, sagte der Ober, diese Theaterleute, die haben mir hier noch gefehlt. (…)

Ein Radioredakteur betrat das Café. Er hatte mich zu spät gesehen und drängte sich an unserem Tisch vorbei. (…) Der Redakteur steuerte auf den Burgtheaterdirektor zu, der ihm allerdings in aufgeregter Zeichensprache zu verstehen gab, daß er jetzt kein Interview geben könne, da Herr Bernhard schlafe und nicht geweckt werden dürfe. (…)

Herr Bernhard war, die Hände in den Hosentaschen, den Kopf auf der Brust, die Augen geschlossen, nach und nach von der Bank gerutscht, und seine gestreckten Beine ragten weit hinein in jenen Gang, der zur Tür ins Freie führte. Maria wäre darüber gestolpert. Der Burgtheaterdirektor redete, schweißgebadet schon und mit hochrotem Kopf, unbeirrt auf den Schriftsteller ein, der keine Reaktion zeigte, außer daß er immer weiter von der Bank rutschte, wodurch seine Beine für die anderen Kaffeehausgäste zum Hindernis wurden.

 

Michael Scharang: Auf nach Amerika, Hamburg, Zürich: Luchterhand 1992, S. 45, 57f., 76f.