Teresa Präauer

(Geb. 1979 in Linz)

Ich trinke meinen Cappuccino aus dem Pappbecher, während der zweite Gast im Coffeeshop, einen Stapel Bücher vor sich, konzentriert liest. »Thomas Bernhard’s Collected Poems?«, rufe ich erstaunt. Dass jemand in New York gerade Thomas Bernhard liest! Noch dazu die Gedichte, die schon im deutschsprachigen Raum kaum bekannt sind. Und im übrigen auch nicht für seine besten Texte gehalten werden. Anders als die Prosaarbeiten, anders als die Dramen. In den Gedichten ist der Autor, wie wir ihn später kennen lernen, kaum zu erkennen. Der Ton ist pathetisch, die Metaphern kühn. (…)

»Er hat in der falschen Zeit gelebt«, konstatiert der Gast neben mir, der offensichtlich bereits zwei Espressos getrunken hat. Die leeren Becher stehen neben dem Bücherstapel. »In einer dunklen Zeit.« Ich nicke halbherzig. »Er hatte auch Humor und hat sich in seinen Texten ziemlich lustig gemacht über seine Umgebung«, erwidere ich dann. »Die Menschen haben ihn nicht verstanden«, bleibt der treue Leser bestimmt.

Teresa Präauer: »Als Thomas Bernhard wie Georg Trakl klang«, in: Die Welt, 15. April 2024.